Montag 11 April 2022, 14:30

Jedes amerikanische Kind sollte die Möglichkeit zum Spielen haben

  • Earnie Stewart erläutert, wie die Globale Talentanalyse der FIFA den USA helfen kann

  • Er betont die Bedeutung klarer Entwicklungswege vom Nachwuchsfussball zum Profitum

  • Die USA haben "riesige Ambitionen" im Fussball

Sportdirektor Earnie Stewart vom US-amerikanischen Verband US Soccer hat persönlich miterlebt, wie sich die Fussballkultur in den USA in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat. Der Ex-Nationalspieler verbrachte den größten Teil seiner Vereinskarriere in den Niederlanden und erinnert sich, dass die Zuschauer bei Heimspielen der USA damals nicht selten für merkwürdige Situationen sorgten. Stewart sagt, dass die Fans in ungewöhnlichen Momenten jubelten, etwa wenn ein Spieler den Ball köpfte. "Wenn man aus Europa kam und in Europa gespielt hatte, waren solche Momente immer etwas unpassend und verstörend", sagt er.

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Heutzutage ist das alles ganz anders. "Es gibt jetzt eine echte Fussballkultur, es gibt eine Fussballatmosphäre, die Stadien der MLS und der NWSL sind ausverkauft, und das ist wirklich wichtig", sagte Stewart, der 101 Länderspiele für die USA bestritten hat und bei drei FIFA WM-Endrunden dabei war. "Das zeigt, dass sich der Fussball in einem enormen Tempo entwickelt hat und bei den Fans Verständnis da ist für das, was sie zu sehen bekommen." Auch die Leistungen der Männer-Nationalmannschaft haben sich stark verbessert. Das Team schaffte es ein Mal bis ins WM-Viertelfinale und zwei Mal bis ins Achtelfinale. Ein Mal standen die USA auch im Halbfinale der Copa América. Im vergangenen Jahr gewannen sie zum siebten Mal den CONCACAF Gold Cup und die erstmals ausgetragene CONCACAF Nations League. Kürzlich qualifizierte sich das Team für die FIFA Fussball-WM Katar 2022™, wo die USA in Gruppe B auf England, die IR Iran und die Ukraine, Schottland oder Wales treffen werden. FIFA-Präsident Gianni Infantino will im Rahmen seiner Vision 2020-23 die globale Wettbewerbsfähigkeit steigern, und da 2026 eine Fussballweltmeisterschaft der Männer im eigenen Land stattfindet, wäre dies die ideale Gelegenheit für die USA, den nächsten Schritt zu tun und bis in die entscheidenden Runden des Turniers vorzustoßen. Im Frauenfussball stehen die USA mit vier Weltmeistertiteln und vier olympischen Goldmedaillen ohnehin bereits an der Spitze, und sie wollen dort auch bleiben. Es soll sichergestellt werden, dass jede talentierte Spielerin und jeder talentierte Spieler eine Chance bekommt. Somit hätte die FIFA-Studie über den Stand der Talentförderung rund um die Welt zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Die Studie enthält für jeden Mitgliedsverband einen eigenen Bericht. "Wir sind gerade dabei, die Planung für die weitere technische Entwicklung zu erstellen. Es war also der perfekte Zeitpunkt für diese Analyse durch die FIFA", so Stewart. "Wie sieht die Talentförderung in unserem Land derzeit aus. Wie sehen wir selbst die Situation und welche Pläne haben wir? Wir haben versucht, diese Überlegungen mit den Überlegungen der FIFA zu kombinieren, mit den besten Methoden und Vorgehensweisen aus der ganzen Welt." Er fügte hinzu: "Wir wollen besser werden, Tag für Tag ein bisschen besser. Wir haben riesige Ambitionen. Wir sind ein enorm großes Land, also haben wir die nötigen Zahlen, was Talente angeht, und wir haben auch sehr gute Einrichtungen."

Wir wollen jeden einzelnen Tag besser werden. Wir haben große Ambitionen als die Vereinigten Staaten. Wir haben ein riesiges Land, also haben wir die Zahlen, wir haben die Einrichtungen.
Earnie Stewart, Sportdirektor US Soccer

Ged Roddy, ein Hochleistungsspezialist, der am Länderbericht der USA mitgearbeitet hat, sagte, die positive, aufgeschlossene Haltung des Fussballverbands USSSF sei ein Beispiel dafür, wie der Bericht den Mitgliedsverbänden zugutekommen könne. "Die USA gingen mit einer sehr offenen Einstellung in dieses Projekt, und sie suchten bereits intensiv nach Aspekten, in denen sie sich verbessern können, weil sie zu den Besten gehören wollen", sagte er. "Es wurden keine Mauern errichtet, sondern offene und ehrliche Gespräche darüber geführt, was sie ihrer Meinung nach gut gemacht haben und was sie ihrer Meinung nach besser machen müssen. Das ist genau das, was wir von ihnen wollten, denn es gab ihnen Zeit und Raum, ihre Arbeit zu überprüfen und Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie in Zukunft arbeiten wollten."

US Soccer Federation Sporting Director, Ernie Stewart

Stewart räumte ein, dass die USA vor Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass talentierte Spieler nicht durch das Netz rutschen. "Ich denke, wir könnten uns noch besser organisieren, damit das nicht so oft passiert", sagte er. "Wir haben zusammen mit der FIFA erkannt und analysiert, dass wir mehrere verschiedenen Pyramiden haben. Wenn man die Strukturen und die Organisation optimieren kann, dann dürfte es nicht mehr so oft vorkommen, dass Talente durchrutschen. Aber da es derzeit diese separaten Einheiten und Organisationen gibt, die alle ihre eigene Pyramide haben, kann ich mir vorstellen, dass noch zu viele Talente verloren gehen." Es sei auch wichtig, dass es einen klaren Weg vom Nachwuchsfussball zum Profifussball gebe, zumal der Fussball in den USA mit vielen anderen Sportarten konkurrieren müsse. "Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, auf seinem Niveau zu spielen, egal wie hoch dieses Niveau ist. Einige Nachwuchsspiele werden Profifussballer, andere werden Schiedsrichter, wieder andere werden Fussballfans", sagte er.

Im Frauenfussball könnte der Weg über den College-Fussball laut Stewart an Bedeutung verlieren. "In der Vergangenheit war das College immer ein besonderes Extra, das wir hier in den Vereinigten Staaten hatten. Bei den Jungen haben wir festgestellt, dass der Weg über den Collegefussball an Bedeutung verloren hat. Die MLS hat ihre Nachwuchsakademien ausgebaut, die USL ebenfalls. Es wurden mehr Akademien im Jungenbereich aufgebaut, und wir denken, dass dies auch bei den Mädchen verstärkt erfolgen wird. Wir behalten diese Entwicklung sehr genau im Auge." Langfristig wollen sich die USA im Männerbereich in die Liste der Teams einreihen, die regelmäßig als potenzielle Weltmeister gelten, und gleichzeitig im Frauenfussball an der Spitze bleiben. "Letztendlich geht es um nachhaltigen Erfolg", so Stewart. "Natürlich will man mit größeren Ländern wie Spanien und Brasilien konkurrieren, die schon viele Endspiele bestritten haben und meist das Viertel- oder Halbfinale erreichen. Dorthin wollen wir auch kommen. Das ist der Grund, warum wir jeden Tag ins Büro kommen und worauf wir hinarbeiten."

Weitere Einblicke in die Analyse des globalen Talententwicklungssystems der FIFA, Länderfallstudien und mehr finden Sie im FIFA Training Centre.