Sonntag 02 Januar 2022, 07:00

Dennerby: "Ich hege mit Indien einen großen Traum"

  • Thomas Dennerby übernahm im August die Leitung des indischen Frauen-Nationalteams

  • Der frühere schwedische Nationaltrainer führt das Team der Gastgebernation im Januar beim AFC Asien-Pokal der Frauen

  • Er sprach über seine Vision von Indiens Zukunft und die aktuelle Situation des Frauenfusballs

Indien geht unter dem schwedischen Trainer Thomas Dennerby in den AFC Frauen-Asien-Pokal 2022 im Januar mit dem Ziel, den Ruf des Teams auf dem Kontinent wieder zu verbessern. Indien war bei den ersten Auflagen der Asienmeisterschaft ein konkurrenzfähiges Team, das 1979 und 1983 jeweils den zweiten Platz belegte. Doch an diese frühen Erfolge konnte das Team in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr anknüpfen: Indien hat nur an fünf der letzten 14 Auflagen des Turniers teilgenommen und kam dabei nie über die Gruppenphase hinaus.

Als Gastgeber des kommenden AFC Asien-Pokals der Frauen hat Indien jedoch nun die Chance, die Bilanz etwas zu verbessern, wobei Dennerby, der das Amt im August übernommen hat, sehr wohl weiß, wie schwer seine Aufgabe ist. Der ehemalige Frauen-Nationaltrainer Schwedens und Nigerias, der in den vergangenen zwei Jahren die indische U-17-Frauen-Auswahl betreute, sprach mit FIFA.com über seine Visionen für den indischen Fussball, den aktuellen Kader und die Trends im modernen Frauenfussball.

Thomas Dennerby, vielen Dank für das Gespräch mit FIFA.com. Wie gehen Sie an die Aufgabe heran, das Frauen-Nationalteam des zweitbevölkerungsreichsten Landes der Welt zu betreuen? Ich fühle mich geehrt, dass man mir diese Aufgabe übertragen hat, und sie ist eine große Herausforderung. Es ist auch eine inspirierende Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der AFC Asien-Pokal der Frauen näher rückt. Wir haben zahlreiche Spiele absolviert, und der indische Fussballverband AIFF (All India Football Federation) war bei der Organisation eine sehr große Hilfe. Dazu muss man wissen, dass es wegen der Quarantänebestimmungen in vielen Ländern nicht einfach ist, sich zu diesem Zeitpunkt auf Wettbewerbsspiele vorzubereiten. Wir haben Freundschaftsspiele in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Schweden absolviert. Solche Spiele helfen uns, unser aktuelles Niveau zu ermitteln. Die Spielerinnen arbeiten sehr hart, und hoffentlich werden wir gute Leistungen abliefern. Ihre Ernennung erfolgte, nachdem Sie zwei Jahre lang das indische U-17-Frauen-Nationalteam betreut hatten. Wie schätzen Sie Ihre Kenntnis des indischen Frauenfussballs jetzt ein? Einer der Gründe, warum ich das A-Nationalteam übernommen habe, sind meine Kennnisse und meine Verbindung zum indischen Frauenfussball in den vergangenen zwei Jahren. Allerdings konnte ich wegen der Pandemie nicht in Indien vor Ort sein. Als ich dann Anfang Februar 2021 wieder zurückkehrte, war ich in Goa und habe das A-Nationalteam bei einer Trainingseinheit beobachtet. Und wie immer, wenn man von der Tribüne aus zusieht, überlegt man, was man tun kann, um zu helfen. Kurz danach trat dann meine Vorgängerin Maymol Rocky zurück. Daraufhin trat der indische Fussballverband AIFF an mich heran.

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Wie groß ist das Potenzial des indischen Frauenteams? Gibt es besonders talentierte Spielerinnen, die Sie sehr beeindrucken? Wir haben einige Spielerinnen, die auf einem recht hohen Niveau spielen, und Spielerinnen mit besonderen Stärken. Es ist schwer, eine von ihnen herauszuheben, da sie alle etwas Besonderes sind. Da es sich um einen Teamsport handelt, ist es im Moment nicht angebracht, Namen zu nennen. Aber einige Spielerinnen sind durchaus sehr beeindruckend. Ich versuche, sie immer weiter anzutreiben. Bala Devi ist eine der wenigen indischen Spielerinnen, die in Europa als Profi spielen. Hoffen Sie, dass mehr Spielerinnen aus Indien nach Europa gehen, um bei hochklassigen Vereinen zu spielen? Auf jeden Fall. Ich habe Freunde in Schweden und in ganz Europa, die mich immer wieder nach unseren Spielerinnen fragen, und ich antworte immer wieder, dass die Klasse der Spielerinnen, die wir in Indien haben, sie alle überraschen könnte. Sie haben in Schweden gespielt, also könnten sich für einige von ihnen durchaus Türen öffnen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es für europäische Klubs angesichts der Pandemie schwer ist, Spielerinnen aus Indien zu holen, weil man sie nicht zu Testspielen schicken kann. Ich hoffe also sehr, dass unser Trainingslager in Schweden ihnen neue Möglichkeiten eröffnen kann. Welche Form der Unterstützung erhalten Sie seitens des indischen Fussballverbands AIFF? Die Unterstützung ist sehr gut. Man versucht, uns bei allem zu helfen, worum wir bitten. Ich weiß, dass wir in allen Bereichen volle Unterstützung haben. Um ein Beispiel zu nennen: Es ist schwierig, während der Pandemie Spiele zu organisieren, aber wir konnten dennoch zu einigen Spielen reisen. Das Wichtigste ist aber, dass jeder seine Arbeit genießt, und wir versuchen, dem Team eine Siegermentalität zu vermitteln.

Sie hatten nur ein paar Monate Zeit, um das Team auf den AFC Asien-Pokal der Frauen im Januar vorzubereiten. Wir haben ein paar Trainingslager absolviert. Das Wichtigste ist, dass wir nicht nur in den Trainingseinheiten arbeiten, sondern auch in den Spielen. Ein paar Siege können uns dabei helfen, eine Siegermentalität zu entwickeln, die allen den Glauben vermittelt, dass wir es schaffen können. Fussball ist schließlich auch ein mentales Spiel. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie Indien 2023 zur ersten FIFA Frauen-Weltmeisterschaft führen werden? Wir wollen Schritt für Schritt vorgehen. Natürlich hegen wir einen Traum, und der beginnt damit, dass wir eines der acht Team im Viertelfinale des AFC Asien-Pokals sind. Wenn wir dieses Niveau erreichen können, ist alles möglich. Ich kann nur versprechen, dass wir mit einer Siegermentalität antreten und alles geben werden. Und dass wir kämpfen werden, als ginge es um unser Leben.

India women's national team in training

Wie beurteilen Sie die aktuellen Trends im Frauenfussball und die allgemeine Entwicklung? Das Passspiel ist im Laufe der Jahre erheblich besser geworden. Auch die technischen Fähigkeiten der Spielerinnen haben sich enorm verbessert. Und wenn wir uns die Organisation, die Struktur der Mannschaften und auch die Defensive ansehen, ist das alles heute viel kompakter. Es gibt kaum noch schwache Teams. Die meisten Mannschaften sind sehr gut organisiert und schwer zu besiegen. Insgesamt sind das sportliche Niveau und der Konkurrenzdruck sehr gestiegen. Ich habe 1997 als Trainer angefangen und fühle mich daher manchmal schon wie ein alter Mann (lacht). Damals hatten wir ein Team mit einigen guten Spielerinnen, einigen Spielerinnen, die in Ordnung waren, und einigen, die heute keine Chance mehr hätten, wenn ich ehrlich bin. Heutzutage sind alle Spielerinnen auch körperlich absolut auf der Höhe. Was ist Ihr bislang größter Erfolg als Trainer: der dritte Platz Schwedens bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland, die Auszeichnung als Schwedens Trainer des Jahres 2004 oder die erfolgreiche Qualifikation Nigerias für Frankreich 2019? Es ist schwer, das alles in eine Reihenfolge zu bringen. Das hängt auch davon ab, wo man ist. In Schweden wollen sie immer, dass man Medaillen und Titel gewinnt. Mit Nigeria haben wir die Afrikameisterschaft gewonnen und uns für die FIFA Frauen-WM qualifiziert. Ich hege immer noch einen Traum, und im Moment ist es der, mit Indien das Viertelfinale des Asien-Pokals der Frauen zu erreichen.

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